27.04.09

episode 7

ach du liebes bisschen! sybille begrüßte den tag mit einem lauten stöhnen und kroch in die küche, um sich mit einer tasse rooibos-vanille-tee so etwas ähnliches wie einen guten start zu verschaffen. jedes mal, wenn sie den fetten kater von der einen schulter stieß, saß er bereits wieder auf der anderen, oder hatte sie sich gleich zwei davon eingefangen? sie schnäuzte sich heftig. warum hatte sie sich bloß auf diese dummheit eingelassen? den tag konnte sie wieder mal komplett in die tonne kloppen. das ganze wochenende war sie mit jules und sören umhergezogen und hatte unbotmässig viel alkohol getrunken. schwächelte einer von ihnen, verschwanden sie zu dritt auf dem klo, um unverzüglich putzmunter wieder weiterzumachen. eigentlich ging das seit sylvester so. jules nannte das: „die wochenendrutsche“. ganz schön lange riesenrutsche war das. fahrt aufgenommen hatte sie zwischen den jahren, als sie mit mums altem vw lupo back to berlin sauste. der mehrwertsteuererhöhung sei dank hatte paps zum jahresende alle rabatte studiert und rechtzeitig mums traumwagen, einen vw beetle, bestellt. sybille bekam ihre lupine wie sie den wagen gleich liebevoll getauft hatte. seitdem ging’s in dem tempo durch die woche. freitags nach der uni schnurrte sie geschwind nach hause, schnell was essen, stündchen nickerchen machen, eine weitere stunde outfit für den abend zusammenstellen, dann rüber zu jules, vorglühen bis sören irgenwann auftauchte und nix wie los ins rio. der freitag war nicht immer so exzessiv, aber der samstag ging dafür gleich bis sonntag mittag, die ganze nacht entweder im taxi, an der bar oder auf der toilette. beim konsumieren in den engen kabinen stand sie so nah bei sören, dass jedes mal ein prickeln auf ihrer haut einsetzte. dieses wohlige gefühl hatte sich in weite ferne verabschiedet, dafür hatte sie jetzt eine triefnase. ob das wohl gestern auch schon so unattraktiv aussah? sie hatte das gefühl, die ganze zeit hinge ein feuchter tropfen am rechten nasenloch. war das jetzt ein erfolgreicher abend in ihrem sinne? mühsam versuchte sie bilanz zu ziehen, aber das pendel schlug in keine richtung aus. eloquenz und selbstsicherheit, zutaten des gestrigen abends, waren möglicherweise opfer der katerhorde geworden. ein weiterer vertreter hatte sich bereits auf ihrem kopf niedergelassen und schlug ihr seine krallen bei jeder bewegung tiefer ins hirn. wenigstens der tee war geschwind zubereitet. wasser in die tasse, ab in die mikrowelle, beutel rein und im nu verbreitete sich der heimelige, von einer schweren süsse erfüllte duft ihres lieblingstees. immer wenn das vanillearoma alles beharrlich überdeckte, bekam sie ihr perönliches zu hause gefühl. sie kuschelte sich in ihren lieblingssessel und begann die vergangene nacht zu rekapitulieren. jules hatte sie geschickt in der mitte platziert. links saß ihre hilfreiche freundin, rechts er und sie wie eine königin in der mitte. ihr barhocker war dabei auf unsichtbaren schienen näher an seinen gefahren worden. komisch, hatte sie ein paar mal gedacht, in dem maße in dem wir uns besser verstehen, entfernt sich jules immer mehr von mir.

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