20.07.10

episode 16

peer war total nett! munter pfiff sich sybille die ewige danziger strasse hinauf, ihrem neuen arbeitsplatz entgegen. bei gegenwind war das mit dem fahrrad eine einzige plackerei. trotzdem behielt sie tapfer ihre kleine melodie auf den lippen. auch wenn zu allem überfluss jetzt noch ein stinkender müllwagen direkt vor ihr fuhr. konnten die denn nicht schneller fahren? sybille drosselte das tempo in der hoffnung, er möge an der ampel noch die grünphase schaffen. aber nein, jetzt stand sie genau daneben. als kleines mädchen konnte sie die luft anhalten, bis der kopf beinahe platzte, diese fähigkeit hatte sich leider rausgewachsen. durch den mund atmen half in keiner weise, statt direktem brechreiz setzte sich ganz hinten im hals eine beharrlich kitzelnde aufforderung fest, ihr inneres endgültig und für alle zeiten nach aussen zu kehren. egal! peer jedenfalls war total nett! denn obwohl sie ihm genau fünf frühstücksteller vor die füsse geknallt hatte, war er einfach ganz cool geblieben. „mönsch bille! machst’n du für sachen?“ hatte er amüsiert gesagt, ihr dabei freundschaftlich den arm um die schulter gelegt, anschliessend geholfen, das malheur zu beseitigen, und von da an den rest der schicht immer ein auge auf sie gehabt. immer mal schnell helfend hand angelegt. immer mit einem aufmunternden augenzwinkern. da konnte sie ihm auch nicht mehr böse sein, als er ihr eröffnete, dass sie die ersten fünf probeschichten nur den halben stundenlohn bekam. die vier schichten würde sie schon auch noch überstehen und danach gabs ja schliesslich 5,70 die stunde. plus trinkgeld. nicht viel. aber wenig nun auch nicht gerade. selten hatte sie einen so frohgelaunten vormittag gehabt! normalerweise rang um diese uhrzeit ein fades grundgefühl gegen die vage vorstellung von entschlusskraft. solange bis sybille am ende erschöpft wieder einschlief, um sich nachmittags schliesslich eine graue mahlzeit von einem umliegenden imbiss zu holen. dann lieber hinter der müllabfuhr herfahren! an jeder verfluchten ampel holte sie den wagen wieder ein. aber peer, der war wirklich nett! zum feierabend durfte sie sich unter seiner anleitung sogar noch einen drink mixen, musste sie ja auch lernen, um irgendwann abends bestehen zu können. auf jeden fall hatte er ihr hoch und heilig versprochen, an ihrem nächsten tag wieder da zu sein. peer war eher so der typ älterer kumpel mit vateranteil. so wie man sich als teenie den vater immer wünscht: nicht unattraktiv, verständnisvoll, etwas verspielt, aber mit einer grundsätzlichen autorität ausgestattet. sein laden sah genauso aus: ein buntes potpourri aus sechziger- und siebziger-jahre-möbeln. überall gemütliche sesselchen und sofas, scheinbar nicht zueinanderpassend, aber geschmackvoll angeordnet. und er war wirklich da, registrierte sie erfreut, als sie ihr fahrrad vor dem laden zum halten brachte. peer sass mit seinen jungs im fenster und löffelte ein gekochtes ei. freudestrahlend öffnete sie die tür. „da bist du ja endlich“, sagte peer ohne sie gross anzusehen. „dann beweg mal deinen hübschen hintern und bring uns eine lage kaffee. schneller als beim letzten mal, wenn’s geht und hoffentlich kommen auch alle tassen bis an den tisch.“ hinter dem tresen stand bereits sandra, eine von den doofen ziegen vom letzten mal und sah mit ausdrucklosem blick an ihr vorbei.

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