20.07.10

episode 20

peer schob sich durch die tür und ihre wohnung schrumpfte schlagartig auf die halbe grösse zusammen. auch ausserhalb seines ladens bewegte er sich mit der gleichen breitschultrigen präsenz, trug sein „work sucks – go surfing“ t-shirt und redete mindestens ebenso laut. im vorbeigehen schmetterte er ein überfröhliches „hast du mal gläser für den schampus, kleene?“ und begann, die flasche zu öffnen, ohne sie ihr überhaupt in die hand zu drücken. war das jetzt ein geburtstagsgeschenk oder selbstverköstigung? ihm war hier eindeutig zu wenig los, das konnte man beinahe körperlich spüren. wie er sich krachend in den einzigen noch freien sessel warf, ohne andrea, die auch gerade erst gekommen war, den platz anzubieten. zugegeben, die geburtstagsgesellschaft machte tatsächlich einen etwas spärlichen eindruck, aber so war es ja mehr oder weniger auch geplant. nachdem sie raiko versehentlich eingeladen hatte, musste sie ihren geburtstag, den sie doch eigentlich totschweigen wollte, in irgendeiner weise begehen, hatte schnell noch babs und miri und gestern abend leichtsinnigerweise auch noch peer und andrea bescheid gesagt. andrea, weil das ihre lieblingskollegin war, und da peer unversehens hinter ihr stand, nuschelte sie ein „komm du doch auch, würd mich freuen“ in seine richtung. jetzt hatte sie den salat. raiko zog schon genervt die augenbrauen hoch. eine frage der zeit bis die beiden sich anpampen würden.

sybille vertagte das problem, verschwand in der küche und zog das nächste blech aus dem ofen. kindheitserinnerungen krochen ihr in die nase. gebackene hühnerflügel und kartoffelecken hatte mum an ihren geburtstagen gemacht, als sybille noch klein war. bei den anderen kindern gab es immer pommes, das lehnten mum und dad aber aus grundsätzlichen erwägungen heraus ab. das war ihre alternative. konnte man auch mit den fingern und mit ketchup oder süss saurer sosse essen.

mitte dezember geburtstag zu haben, bedeutete ganz klar nichts als stress. einmal die woche einen termin zum feiern und bilanz ziehen, das hielt doch kein normaler mensch aus. vor allem war ja das gesamte vergangene jahr ein einziges bilanzieren gewesen.
den besuch der eltern wenigstens hatte sie aufs nächste jahr verschieben können. war ja auch eine schwachsinnsidee, sie zu besuchen, wenn sie drei, vier tage später eh nach neumünster fuhr. geschätzte schonfrist, was das anging: bis ungefähr märz, april. puh!
der korken knallte, der champagner schäumte über, ergoss sich über die sessellehne und peer grinste selbstzufrieden vor sich hin. schnell die geschenke vom tisch bevor er die flasche dort abstellte! babs und miri hatten ihr eine wundervolle tasche mit einem niedlichen kleinen eichhörnchen drauf geschenkt, nebst dazugehörigem geldbeutel. selbst entworfen und selbst produziert. deren umtriebigkeit müsste man haben. sybille liess einen heimlichen, neidvollen seufzer aufsteigen. warum hatte sie nicht die energie und den schneid, so etwas selber selbst zu machen? höchstwahrscheinlich war das der prototyp einer eigenen kollektion, die man bald in der „heimat“ oder einem ähnlichen laden kaufen konnte. sie stampfte innerlich mit den füssen vor wut. die beiden hatten sich richtig arbeit und mühe gemacht, aber sie sah nur die konkurrenz aufmaschieren.
„ick sach ma: uff bille, gell, und bleib schön wie de bist, kleene, weischt wie?“ peer hob sein glas und zwinkerte in die runde. „sag, aus welchem teil berlins bist du denn nach baden württemberg gezogen?“ sybille krampfte ihre finger um das glas. raiko klang wie mum, wenn sie, wie jedes jahr beim weihnachtsessen zu onkel werner sagte: „... und du willst sicher wie immer schon vor dem essen einen cognac, nehme ich an?“

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