20.07.10

episode 18

auf die blöde sonne konnte sie sowieso verzichten. herbstlaubromantik. na herzlichen dank auch. sybille lugte durch den vorhang und zog sogleich erschrocken den kopf wieder zurück. die vergangene nacht war entsetzlich gewesen! klatschnass war sie wie gerädert aus einem albtraumgetränkten halbschlaf erwacht und jetzt strahlte ihr der sonntagshimmel höhnisch ins gesicht. also öffnete sie bloss das fenster, liess die vorhänge dabei geschlossen, schnappte sich ihr i-book und schlüpfte wieder ins bett. aha! aha! sören und jules waren also online. sybille starrte angestrengt auf ihre top-freunde. eigentlich hätte sie die längst löschen sollen aber sie brachte es noch nicht einmal fertig, die beiden von der startseite zu verbannen. denn obwohl sören aus ihrem realen leben komplett verschwunden war, dachte sie ohne unterlass an ihn und so wie er auf diese weise weiterhin teil ihres alltägtlichen lebens blieb, nahm sie, ohne das er es wusste, anteil an seinem leben, indem sie sein myspace profil aufrief, die postings las oder sich durch sein fotoalbum klickte. sören beim freitagabend warm up in jules wohnung, sören auf der fusion, sören in der bar25. seltsam die vorstellung, dass er umgekehrt die gleiche möglichkeit hatte. vielleicht sah er ab und an auf ihrem profil vorbei und fragte sich, wie es ihr wohl gehen könnte. hatte er registriert, dass sie seit zwei monaten kaum noch im space unterwegs war? das bedeutete ja, dass sie auch seine seite nicht länger, wie anfangs, fast täglich besuchte. anhand der kommentare liess sich immer herausfinden, was die beiden an den wochenenden so trieben. jetzt waren sie grad mal zurück aus dem weekend und chatteten schon wieder miteinander. ein leises gefühl der eifersucht liess sybille unruhig herum rutschen, genauso nervös begann sie, zwischen den beiden profilen hin und her zu switchen, um ja nichts zu verpassen. wer war jessica? die kannte sie ja noch gar nicht, die musste neu sein! was war mit der während des sonnenaufgangs auf der weekend dachterrasse? nein, nein, nein! sybille schloss die augen, bemühte sich, die atmung zu kontrollieren, strampelte die bettdecke von den beinen und rannte ins bad, um erst mal den kopf unter wasser zu halten. danach nahm sie erschöpft auf dem klodeckel platz. aus den nassen haaren fielen dicken tropfen auf die fliesen. einsam war sie. gewusst hatte sie das die ganze zeit, hatte dagegen angekämpft. ihr herz wog so schwer, dass es sie immerfort zu boden drückte. jeden tag auf die strasse zu gehen und das forsche gesicht einer tapferen sybille aufsetzen zu müssen war eine entsetzliche last. aus den augen tropfte es jetzt auch. warum war sie nicht in der lage, raiko zu antworten? der war doch eben gerade auch online und hatte sie gefragt ... nein, gefragt hatte er eigentlich nicht. er hatte mehr so allgemein über die sonne geschrieben und den himmel. vom spazierengehen in klarer kalter luft. nein, gefragt hatte er nicht. das war nun wohl ihr part.

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