20.07.10

episode 13

sybille stand vor dem spiegel, schnitt grimassen und kämmte missvergnügt ihr haar mit den fingern durch. blödes aschblond, scheiss strassenköterfarben. richtig blond oder vielleicht richtig schwarz mit locken, das wär was, aber so war sie nun mal nicht auf die welt gekommen. das hiess jetzt: bei der affenhitze zum haareschneiden. diesmal jedoch würde sie mitnichten ein missglücktes cut+go ergebnis als schrägen 80er schnitt durchgehen lassen, sie brauchte eh neue farbe, da kam bloss ein ordentlicher friseur in betracht. seit der unglückseligen geschichte mit sören war so oder so rundumerneuerung angesagt. zweiter anlauf, geschenkt, aber inzwischen waren ja auch mehr als bloss ein paar stunden ins land gezogen. während draussen der sommer ausbrach und sonne und flipflops regierten, hatte sie erstmal zwei bis drei staffeln dawsons creek am stück weggeguckt. weinen war jetzt definitiv durch. sybille legte den kopf schief, blies sich den mittlerweile überlangen pony aus dem gesicht und kramte einen gesichtsausdruck hervor, der ihr vor gar nicht so langer zeit mal kokett erschienen war. nichts. augen ohne blick, haut kaputt, hängender mund, krumme schultern. wie ein schmuckloses poesiealbum in das keiner hineinschreiben wollte. allenfalls einige lustlose einträge waren zu verzeichnen. jaja: „in allen vier ecken soll liebe drin stecken.“ von wegen! zornig streckte sie ihrem spiegelbild die zunge heraus. bäh! und noch mal: bäh. gott wie man sich selbst nicht mehr ausstehen kann! seit ihr keine tränen mehr aus den augen quollen, schlich sie tag für tag durch den immergleichen lichtlosen tunnel. wie wärs mit raiko anrufen? so tief konnte man sinken. der würde ihr wahrscheinlich was auf seiner gitarre vorspielen und ein gedicht dazu aufsagen. brrrrr! seine telefonnummer hatte sie gott sei dank dem wind überlassen, erinnerte sie sich mit einem anflug von bosheit. doch halt: überheblich wollte sie ja nicht länger sein. was für ein leben! laaangweilig! blieb nur, die haare blond aufsträhnen und durchstufen zu lassen. den pony würde sie aber relativ lang behalten. und wenn ich dann schon mal draussen bin kann ich auch gleich shoppen gehen, kam es ihr in den sinn. sie wollte schon die ganze zeit eine rockige schwarze röhrenjeans kaufen. am besten cheap mondays, die hatten stil! dazu weisse, maximal halb- bzw. viertelhohe boots, so stiefelettenartig. ungeeignet bei der hitze, aber ein anfang. danach dann könnte sie auch den spiegel mal wieder putzen und schauen, welche sybille sich hinter den staubschlieren verbarg.

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